“Die Welt” des Gerhard Richter, Künstlerausgabe 5.10.2012, handsigniert

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Gerhard Richter (* 9. Februar 1932 in Dresden) ist ein deutscher Maler, Bildhauer und Fotograf. Er war von 1971 bis 1993 Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Werke zählen auf dem Kunstmarkt zu den teuersten eines lebenden Künstlers.

Seit 2012 unterstützt Gerhard Richter unseren gemeinnützigen Verein “Kunst hilft geben” mit handsignierten Kunstdrucken einzelner Werke.

 

Beschreibung

Beschreibung

Künstlerausgabe “Die Welt” des Gerhard Richter
Titelblatt Vorder- und Rückseite zweifach signiert

Format: 73 x 57 cm
Rahmung: Erlenholz, doppelseitig mit Glas gerahmt

 

Gerhard Richter wuchs als der erstgeborene Sohn von Horst und Hildegard Richter in Reichenau und Waltersdorf in der Oberlausitz auf.

1948 beendete er die höhere Handelsschule in Zittau mit der Mittleren Reife und wurde dort von 1949 bis 1951 zum Schriften- sowie Bühnen- und Werbemaler ausgebildet. 1950 wurde sein Aufnahmeantrag für die Hochschule für Bildende Künste Dresden abgelehnt. 1951 schließlich konnte er sein Studium an der dortigen Kunstakademie antreten. Seine Lehrer waren Karl von Appen und Heinz Lohmar. 1955 schuf Richter für sein Vordiplom ein Wandgemälde (Abendmahl mit Picasso) für die Mensa der Dresdner Akademie. 1956 folgte ein weiteres Wandbild in den Räumen des Dresdner Hygienemuseums (Lebensfreude) für seine Diplomarbeit. Beide Gemälde wurden nach Richters Flucht übermalt; nach der Wiedervereinigung wurde die Lebensfreude an zwei Stellen freigelegt und erneut übermalt. 1957 heirateten Gerhard Richter und Marianne (Ema) Eufinger (Tochter Heinrich Eufingers). Von 1957 bis 1961 arbeitete Richter als Meisterschüler an der Akademie und übernahm Staatsaufträge der DDR. In dieser Zeit entstand ein umfangreiches Werk an Wandbildern (z. B. Arbeiterkampf) und Ölgemälden (Porträts von Angelica Domröse und von Richters erster Ehefrau Marianne, genannt Ema). Die Lesende von 1960 gehört zum kaum noch erhaltenen Frühwerk aus Richters Dresdner Zeit. In einem Interview mit der Frühwerk-Expertin Jeanne Anne Nugent von der New York University wird Richter konkret zu dieser seiner Lesenden Ema befragt und bestätigt die Einschätzung der Expertin, dass dieses Bild zu den intimsten seiner Familienbilder zählt, genauso wie das Stadtbild von Dresden und Zeichnungen (z. B. Selbstporträts).

Ende Februar 1961 flohen Gerhard Richter und seine Frau über West-Berlin nach Westdeutschland, wo 1966 Betty, die gemeinsame Tochter, geboren wurde. Seine in der DDR geschaffenen Kunstwerke musste er zurücklassen, teilweise soll er sie noch vor seiner Abreise verbrannt haben. Nur wenige dieser Bilder blieben erhalten und werden nicht in seinem Werkverzeichnis aufgeführt. Auch andere frühe Bilder, wie das Hüttenwerk Rheinhausen, stehen nicht in Richters Werkliste. In Band 3 und 4 von Richters Catalogue Raisonné (Hatje Cantz, 2015) wird seine gesamte ostdeutsche Frühzeit ausdrücklich ausgeschlossen.

Von 1961 bis 1964 setzte Richter sein Kunststudium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Ferdinand Macketanz und Karl Otto Götz fort. Seine Mitstudenten in der Klasse Götz waren Sigmar Polke, HA Schult, Kuno Gonschior, Franz Erhard Walther, Konrad Lueg und Gotthard Graubner.

Nachdem Gerhard Richter Ende der 1960er Jahre als Kunsterzieher gearbeitet hatte und 1967 Gastdozent an der Hochschule für bildende Künste Hamburg gewesen war, erhielt er 1971 an der Düsseldorfer Kunstakademie eine Professur für Malerei. Hier lehrte er bis zum Jahre 1993. 1972 setzte er sich mit Uwe Johnson, Heinrich Böll, David Hockney, Günther Uecker, Henry Moore, Richard Hamilton, Peter Handke und Martin Walser für seinen Kollegen Joseph Beuys ein, dem vom damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau die Lehrerlaubnis entzogen worden war.

Im Juni 1964 hatte Richter unter dem Titel Gerd Richter. Fotobilder, Portraits und Familien eine erste Einzelausstellung in der Galerie Friedrich & Dahlem in München. Bereits in der zweiten Jahreshälfte wurden Einzelausstellungen bei Alfred Schmela in Düsseldorf und bei René Block in Berlin eröffnet. Richter war bald in vielen in- und ausländischen Galerien und Museen präsent. 1972 war er im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig mit der Werkgruppe 48 Portraits vertreten. Im Sommersemester 1978 nahm er – in der Nachfolge von Kasper König und Benjamin Buchloh – eine Gastprofessur am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax an. Da er hier kein Atelier zur Verfügung hatte, beschäftigte er sich mit visuellen Phänomenen. So fotografierte er das Gemälde Halifax analytisch in 4 cm × 4 cm großen Segmenten und stellte sie in einem Buch 128 details from a picture (Halifax 1978) zusammen, das im selben Jahr in der Press of the Nova Scotia College of Art and Design erschien.[10]

1984 war er bei der Ausstellung Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf vertreten. Anfang der 1990er Jahre konnte die Parlamentspräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Hanna-Renate Laurien, den Künstler dafür gewinnen, fünf seiner Gemälde für den Festsaal des Abgeordnetenhauses zur Verfügung zu stellen.

Gerhard Richters internationale künstlerische Anerkennung nahm in den Folgejahren zu, sodass ihm in den Jahren 1993/1994 eine umfassende Retrospektive mit Stationen in Paris, Bonn, Stockholm und Madrid gewidmet wurde. 2002 feierte ihn das Museum of Modern Art, New York, anlässlich seines 70. Geburtstags mit einer umfassenden Retrospektive. In ihr wurde mit 188 Exponaten die dort größte jemals einem lebenden Künstler gewidmete Ausstellung gezeigt.

Am 20. August 2004 wurden die Gerhard-Richter-Räume im Dresdner Albertinum eröffnet. Dort werden 32 Werke als Dauerleihgabe ausgestellt.[11]

Die britische Tageszeitung The Guardian macht sich das Zitat eines Frankfurter Galeristen zu eigen, der Richter als erfolgreichsten Maler der Gegenwart und als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Anfang 2005 fand in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW K20 eine umfangreiche Ausstellung statt, in der unter anderem die Scheibenbilder und die Gemäldegruppe acht grau zu sehen waren. Im unteren Bereich befand sich das aus 130 C-Prints bestehende 9 m × 9 m große Werk Strontium aus dem Jahre 2004 (für das de Young Museum San Francisco, USA). Die Ausstellung wurde anschließend in der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus sowie in Kanazawa und Sakura in Japan präsentiert.

2006 wurde in Dresden das Gerhard Richter Archiv ins Leben gerufen, das unter der Leitung von Dietmar Elger steht. Er ist Richters langjähriger Assistent und Biograf. Es soll neben der Erforschung von Leben und Werk des Künstlers auch ein neues Werkverzeichnis erstellen.

Im Westen begann Gerhard Richter seine malerische Praxis mit einer kurzen Phase, in der er praktisch alle aktuellen Ausdrucksformen und Stile der modernen Malerei erprobte (zwischen Antoni Tàpies und Francis Bacon). Es handelt sich um Werke, die Richter, wie er selbst berichtet, später im Innenhof der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf verbrannte.

Einflüsse für das sich nach dieser Phase entwickelnde umfangreiche Werk kamen aus der Pop Art, aus dem Abstrakten Expressionismus, aber auch aus Neo-Dada und Fluxus.

Die zum Teil enge Zusammenarbeit mit anderen Künstlern dürfte ebenfalls Einfluss auf seine künstlerischen Positionen gehabt haben. So kooperierte Richter während der ersten Hälfte der 1960er Jahre in gemeinsamen Ausstellungen mit Sigmar Polke, Konrad Lueg und Manfred Kuttner. Mit ihnen kreierte er den Kapitalistischen Realismus,[22] der den Sozialistischen Realismus, die offizielle Kunstdoktrin der damaligen sozialistischen Länder, ironisieren sollte und die westliche Konsumgesellschaft kritisch reflektierte. 1968 führte er mit Günther Uecker, seinem Freund und Studienkollegen, eine Aktion in der Kunsthalle Baden-Baden durch. Das Gebäude wurde besetzt und Uecker erklärte: „Auch Museen können Wohnorte sein.“

Eine andere Episode in Richters künstlerischem Werdegang ist die Zusammenarbeit mit Blinky Palermo. Mit ihm verband ihn ab 1962 eine Freundschaft, die 1970 zu einer gemeinsamen Galerieausstellung und 1971 zu zwei gemeinsamen Diptychen führte. Richter stellte darüber hinaus Zwei Skulpturen für einen Raum von Palermo her, Büsten nach Gipsabgüssen von Palermos und Richters Köpfen. Diese für einen von Palermo malerisch gestalteten Kölner Galerieraum vorgesehenen Skulpturen sind in Gerhard Richters Werk singulär. (Eine Rekonstruktion gehört heute zum Bestand des Lenbachhauses in München.)

1962 begann Richter mit seinem Atlas, in dem er Zeitungsausschnitte, Fotografien, fotografische Serien, Entwürfe, Farbstudien, Landschaften, Porträts, Stillleben, historische Stoffe und Collagen sammelt. Es handelt sich vielfach um Vorlagen für Gemälde, die oft erst Jahre später wieder aufgegriffen wurden. 1996 konnte das Münchner Lenbachhaus den Atlas mit damals 583 Werken ankaufen, Richter hat ihn seitdem ständig um weitere Stücke erweitert.[23] 1997 wurde der Atlas auf der Documenta X in Kassel gezeigt und in einem Bildband dokumentiert.

Im Dezember 2009 kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen ihm und Alexander Kluge. Die im selben Jahr (1932) geborenen Männer trafen sich zu Silvester 2009 im „Waldhaus“ in Sils Maria (Engadin). Aus ihrer Kooperation ging eine gemeinsame Veröffentlichung hervor: Dezember (Suhrkamp Verlag). Richter steuerte 39 Farbfotografien des Graubündner Hochgebirges und Kluge 39 Kalendergeschichten bei. Eine zweite gemeinsame Arbeit – Nachricht von ruhigen Momenten (Suhrkamp Verlag) – mit Bildern von Richter und weiteren Geschichten von Kluge erschien 2013.

2012 gestaltete Richter die Ausgabe der Tageszeitung Die Welt vom 5. Oktober als Künstlerausgabe. Frühere Ausgaben der „Welt“ wurden bereits von Georg Baselitz und Ellsworth Kelly gestaltet.

Abmalungen

Zu Beginn der 1960er Jahre benutzte Gerhard Richter erstmals Fotografien als Vorlagen für Gemälde, ein Verfahren, das er danach regelmäßig anwandte. Es handelt sich dabei um beiläufige Motive aus Zeitungs- und Illustriertenausschnitten (später auch auf eigenen Aufnahmen beruhend), die er abmalend vergrößerte, überwiegend in Grau-Weiß auf die Leinwand übertrug und damit überhöhte. Richter selbst kommentierte eines dieser und ähnliche Werke so: „Es demonstriert die Zahllosigkeit der Aspekte, es nimmt uns unsere Sicherheit, weil es uns die Meinung und den Namen von einem Ding nimmt, es zeigt uns das Ding in seiner Vieldeutigkeit und Unendlichkeit, die eine Meinung und Ansicht nicht aufkommen läßt.“[25] In diesen Zusammenhang gehört auch das 200 × 650 cm große, fünfteilige Bild Alpen (1968)[26], in dem Richter das Alpenmotiv nicht verwischt, sondern in einem Duktus (Strichführung), der an späte Bilder von Cézanne erinnert, regelrecht ‚vermalt‘.[27]

Diese dem Fotorealismus nahe Methode ist durch eine verwischt wirkende Unschärfe gekennzeichnet, die den Realismus der Vorlagen verfremdet. Ein typisches Beispiel ist die Nr. 1 des Werkverzeichnisses, Tisch. Mit seinem Gemälde Ema (Akt auf einer Treppe) vom Mai 1966, dem eine Farbfotografie seiner damaligen Frau zugrunde lag, zitierte Richter eines der bekanntesten Gemälde der Neuzeit, den Akt, eine Treppe herabsteigend (1912) von Marcel Duchamp.

Die Kunstkritikerin Helga Meister hat als erste eine konkrete Beschreibung des Abmalvorgangs geliefert: „In Illustrierten, Zeitungen, Fotoalben und Fachbüchern sucht er seit Jahren nach geeigneten Fotos, schneidet sie aus, legt sie unter ein Episkop und projiziert die nun stark vergrößerten Bilder auf eine leere Leinwand. Auf ihr zieht er mit Kohle nach und pinselt Menschen wie Räume mit schwarzer, grauer und weißer Farbe aus. […] Die noch nassen Farben übermalt er mit einem breiten Pinsel, zieht die Konturen ineinander, egalisiert die Farbunterschiede.“[28]

Vielfach ging Richter über die Verfremdungstechnik der unscharfen Darstellung hinaus und zog Furchen durch die Oberfläche der Gemälde, ein Mittel, das er später in expressiv abstrakten Gemälden wieder aufgegriffen hat. Oder aber er reduzierte die abgemalte Fotografie auf verschwimmende Ansichten, denen kaum noch Bezüge zur fotografierten Wirklichkeit anzusehen sind. An diesen Bildern wird deutlich, wie fern Richter in den 1960er Jahren den aktuellen Trends der Pop Art, des Fotorealismus oder der Fluxus-Bewegung war: Strömungen, mit denen sich Gerhard Richter auseinandersetzte, von denen er sich aber in seiner künstlerischen Praxis absetzte – wenn man davon absieht, dass die Benutzung von Fotografien von der Pop-Art angeregt worden sein dürfte. Richter erläuterte hierzu, er verdanke Andy Warhol die Anerkennung des Mechanischen in seinem Prozess des Abmalens von Fotografien. Damit trieb er der Malerei alle idealistischen und subjektiven Momente aus.[29] Dem Kunstwissenschaftler Johannes Meinhardt zufolge schließt „die mechanische Arbeit des Abmalens […] alle bewußte Wahl und Entscheidung aus, läßt der kreativen Imagination keinerlei Platz“.[30] Das Verwischen der Fotos verstärke den nicht subjektiven und nicht intentionalen Charakter des Bildes als auch der Handarbeit und betone die Beliebigkeit des gefundenen Sujets.[30] Der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Uwe M. Schneede schreibt dem Foto bei Richter eine Bedeutung analog zum Readymade von Marcel Duchamp zu.[31] Stefan Germer weist darauf hin, dass Richter seine Kunst „weniger zur Produktion neuer als zur Reflexion bereits vorhandener Bilder“ nutzt.[32]

Neben den Abmalungen von Fotos banaler Gegenstände (wie Klorolle, Küchenstuhl, Tisch oder Wäschetrockner) stehen Abmalungen von zeitgeschichtlichen Personen oder Ereignissen, die nach Richters Worten „meine Gegenwart zeigen“; dazu zählen Sportwagen, Motorboot und Militärflugzeug, Sekretärinnen, die Prostituierte Helga Matura, der Euthanasietäter Werner Heyde, der verwandte Onkel Rudi im Wehrmachtsuniform und der Kennedy-Attentäter Oswald. Für Uwe M. Schneede gruppieren sie sich – schon durch ihre für Richter typische Verwischung – zu „Bildern einer Epoche“, die ihren abschließenden Höhepunkt im sogenannten RAF-Zyklus 18. Oktober 1977 fanden. Er beendete damit seine Arbeit an Bildern nach Schwarz-Weiß-Fotos, mit seinen Worten: „in der Form einer komprimierten Zusammenfassung, die kein Weitergehen mehr zulässt“. Zu den Kriterien seiner Motivauswahl bekannte er sich 1986 in einem Interview mit dem Kunsthistoriker Benjamin Buchloh „ganz bestimmt“ zu inhaltlichen Kriterien, die er „früher vielleicht verleugnet habe“. Indirekt bestätigt Richter damit die Auffassung des Kunsthistorikers Eckhart Gillen, der Richters Aussagen, seine Fotovorlagen seien Zufallsfunde, willkürlich und bedeutungslos, „bei näherer Betrachtung als Tarnung“ begreift.

Auch Stillleben, Landschaften und Meeresbilder sowie bekannte Sehenswürdigkeiten wie die Niagarafälle sind Gegenstand der Abmalungen. Fotorealistisch wirken hingegen das 1978 als Auftragsarbeit für das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW, Düsseldorf, entstandene Wolkenbild ohne Titel und aus den 1980ern stammende Landschaftsbilder, z. B. Davos von 1981, Eis (1981 und geradezu in der Tradition eines Caspar David Friedrich) oder Besetztes Haus 1989, das allerdings auch nicht ohne Unschärfen auskommt. Es sind Gemälde, die in ihrer Perfektion zwar abbilden, gleichermaßen jedoch mehr das Typische verfremdet darstellen. Richters Biograf Dietmar Elger nennt sie „Anschauungsmaterial einer verlorenen Wahrheit“.

RAF-Zyklus

Andere Gemälde erschließen sich erst, wenn die zugrunde liegenden Polizei- und Pressefotos samt Zeitungsnachricht bekannt sind. Mit dem Zyklus der 15 Gemälde 18. Oktober 1977 von 1988 mit unterschiedlich verwischten Abbildungen von den RAF-Terroristen Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Holger Meins, die die unpersönlichen Bildtitel Tote, Erhängte und Erschossener erhalten, setzte sich Richter mit einer der brisantesten Perioden westdeutscher Geschichte auseinander. Jean-Christophe Ammann, Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main von 1989 bis 2001, konnte den Zyklus für das Museum als Leihgabe für 10 Jahre gewinnen. 1991 war die Werkgruppe Bestandteil der Eröffnungsausstellung des Museums in Frankfurt am Main und hat zu heftigen Reaktionen von Presse und Publikum geführt. Den Zyklus erwarb das New Yorker Museum of Modern Art 1995 für 3 Millionen Dollar.

Anlässlich der ersten Ausstellungen des Zyklus hob der deutsche Kunsthistoriker und Ausstellungskurator Hubertus Butin Richters Widerstand gegen ideologisches Denken und Handeln hervor, der ihn vor jeder Dogmatik bewahre. Sein gesamtes Werk könne man „als Projekt der postmodernen Sensibilisierung für Pluralismus und Differenz sowohl im künstlerischen als auch im nicht-künstlerischen Denken und Handeln sehen“.[39]

Landschaften

Bilder mit landschaftlichen Motiven stellen eine eigenständige Werkgruppe dar und nehmen eine herausgehobene Stellung in Richters Gesamtwerk ein.[40] Obwohl schon 1965 einzelne Landschaftsbilder entstanden (Landschaft, Niagarafälle, Waldstück, Seestück, Italienische Landschaft), eröffnen für Dietmar Elger die Korsika-Ansichten von 1968 (Werkverzeichnis 186-2, 199–201, 211, 212) nach Richters eigenen Fotografien die eigenständige Werkgruppe. Die offizielle Webseite von Gerhard Richter listet insgesamt 124 Landschafts-Werke auf, die zwischen 1965 und 2004 entstanden. Abgemalt wird auch dabei wieder von fremden oder eigenen Fotos, aber neu gegenüber der Schwarzweißmalerei ist die Verwendung von Farbe. Dazu passt die häufig zitierte Aussage Richters: „Ich hatte Lust, etwas Schönes zu malen“.[43] Bemerkenswert ist zudem, dass Richter zwar offen das Schema von Caspar David Friedrich nachahmt („seitlich unbegrenzte Landschaften“ – „tiefgesetzter Horizont, ein hoher leerer Himmel, ein unbetonter Vordergrund“), aber im Gegensatz zu diesem ausdrücklich sogenannte Kulturlandschaften malt, also weder unberührte, fiktive oder idealisierte Weltlandschaften.

Abstrakte Strategien

Abstraktion war in den 1960er Jahren in beiden Teilen Deutschlands ein Reizwort. Im Osten – Gerhard Richter studierte ab 1951 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden – wurde Abstraktion als elitärer, abgehobener Stil des Westens bekämpft. Im Westen – Richter setzte sein Studium 1961 an der Düsseldorfer Akademie fort – galt sie bereits als konservativ, weil sich die junge Kunst in neuen Ausdrucksformen verwirklichte und Malerei obsolet erschien. Richter ergriff die ungeliebte Abstraktion als Verfahren, die Malerei in ihren Möglichkeiten neu zu befragen. Sie erlaubte ihm auch, sich mit den im Nationalsozialismus verfemten Traditionen der Moderne zu verbinden und Malerei zukunftsfähig zu machen.[45]

Andere Techniken

Die Diskontinuität seines Werkes – Kritiker sprechen vom „Stilbruch als Stilprinzip“ – zeigt sich in dessen Chronologie. Parallel zu den Abmalungen entstanden schon 1966 Farbtafeln und im selben Jahr 4 Glasscheiben. 1967 malte er Röhren, ein Grau-in-Grau-Bild, das – wie andere frühe Gemälde auch – als ein Vorläufer für Strontium von 2004 gelten kann. Dazwischen aber liegen die Zeiträume der Vermalungen, der grauen und Wolkenbilder, der unscharfen abstrakten Bilder. Schließlich malte er in den 1980er und 1990er Jahren mit erheblicher öffentlicher Resonanz aufgenommene große, expressiv farbige abstrakte Gemälde, beispielsweise die Serie Abstraktes Bild (809-1,-2,-3,-4). Sie bestehen aus mehreren Farbaufträgen mit zum Teil eingreifenden Abkratzungen bis auf den Malgrund, impulsiver Gestik sowie Übermalungen. Es handelt sich um Gemälde, die ihren Entstehungsprozess deutlich darstellen und ihn gleichzeitig verschleiern (Richter macht sich hier u. a. technische Verfahren der Décollage für seine Malerei dienstbar). Nach Aussagen des Künstlers sind diese Gemälde in erheblichem Maße vom Zufall abhängig und widersprechen in ihrer Endfassung häufig anfänglichen Absichten. Ein farbintensives großformatiges Bild ist das Abstraktes Bild El. L[47], ausgestellt auf der Documenta 7, 1982[48] und dort von Peter Iden für die Sammlung des Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main erworben.[49]

Kirchenfenster

Richter-Fenster, Kölner Dom

Für die Südquerhausfassade des Kölner Doms entwarf der aus der evangelischen Kirche ausgetretene Atheist mit Hang zum Katholizismus[50] 2006 ein 113 m² großes Fenster bestehend aus 11.500 Quadraten aus mundgeblasenem Echt-Antik-Glas in 72 unterschiedlichen Farben. Die Idee geht zurück auf sein Werk 4096 Farben von 1974. Die Anordnung der einzelnen Farbflächen wurde mittels eines Zufallsgenerators erstellt, dessen Ergebnisse Richter jedoch teilweise bearbeitete. Die Dynamik der Farbfelder verändert sich durch den im Tageslauf gebrochenen Einfallswinkel des Sonnenlichtes. Der Entwurf ist ein Geschenk Richters an den Kölner Dom, die Herstellungskosten betrugen etwa 400.000 Euro.[51] Das Fenster wurde 2007 eingeweiht. Der Künstler Gerhard Richter wehrte sich gegen die Kritik des Kölner Erzbischofs Kardinal Meisner an dem von ihm gestalteten Domfenster. Meisner hatte das abstrakte Glasfenster als eher in eine Moschee oder in ein Gebetshaus passend kritisiert. Der Kardinal hätte sich lieber ein Motiv gewünscht, auf dem die christlichen Märtyrer des 20. Jahrhunderts ins Bild gesetzt werden.[52] Richter betonte, dass er zum Islam überhaupt keine Beziehung habe und niemals für eine Moschee gearbeitet hätte. Er fühle sich als Spross des Christentums, der „ohne den Glauben an eine höhere Macht oder etwas Unbegreifliches“ nicht leben könne.[53]

Ende 2019 wurde bekannt, dass Gerhard Richter die drei neuen Altarfenster für die saarländische Benediktinerabtei St. Mauritius Tholey gestalten würde. Hergestellt wurden die Fenster in den Gustav van Treeck Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei mitten in München. Aus Anlass der feierlichen Wiedereröffnung der renovierten Abteikirche im September 2020 wurden auch die Richter-Fenster in Tholey der Öffentlichkeit vorgestellt.

Heute lebt Gerhard Richter zurückgezogen in seinem Haus in Köln.

Richter gab im September 2020 bekannt, den Pinsel aus der Hand zu legen, und beschloss damit sein Werk als Maler im Alter von 88 Jahren. Sein letztes Werk waren die Kirchenfenster in der saarländischen Benediktiner-Abtei Tholey.

 

Quelle: Wikipedia (Auszug)